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Bundesgericht: Polizeiliche Überwachung in

Geschäftsräumen benötigt Bewilligung

Weil in einem Betrieb im Kanton Solothurn mehrfach Geld gestohlen wurde, installierte die Polizei eine Videoüberwachung. Da die Massnahme nicht von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden war, dürfen die Aufnahmen nicht als Beweismittel verwertet werden.

Kathrin Alder

 

Wird in einem Betrieb Geld aus der Kasse gestohlen, will die Geschäftsführung den Dieb natürlich möglichst schnell dingfest machen. Nur, wie kommt man jemandem auf die Schliche, der sich bereits mehrfach bedient hat, ohne dabei erwischt zu werden? Man erstattet erst einmal Strafanzeige gegen Unbekannt, so wie dies der Geschäftsführer des betroffenen Betriebs gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin getan hat. Die Kantonspolizei Solothurn installierte daraufhin im Betrieb eine Videoüberwachung mit bis zu vier Aufnahmepositionen. Die Kameras überwachten hauptsächlich ein Büro mit Küche, in dem sich auch der Tresor befand. Der Hauptraum für Kunden wurde nicht überwacht. Die beiden Geschäftsführer erklärten sich mit der Überwachung einverstanden, die Angestellten freilich wussten nichts davon. Überwacht wurde während rund fünf Wochen, anschliessend wertete die Polizei das Videomaterial aus und erstellte auch einen Amtsbericht. Zu den Akten gegeben wurden lediglich Aufnahmesequenzen vom 1., 15. und 18. Juli sowie vom 5. August 2015.

Verurteilung gestützt auf Videoaufnahmen

Am 4. Januar 2018 verurteilte das Obergericht des Kantons Solothurn schliesslich eine Mitarbeiterin des Betriebs wegen mehrfachen geringfügigen Diebstahls zu einer Busse von 500 Franken und einer Schadenersatzzahlung an den Betrieb. Dieses Urteil zog die Mitarbeiterin weiter an das Bundesgericht, wo sie insbesondere geltend machte, die Vorinstanz habe gegen das in Artikel 141 der Strafprozessordnung (StPO) verankerte Beweisverwertungsverbot verstossen. Das Solothurner Obergericht habe sie im Wesentlichen gestützt auf Videoaufnahmen verurteilt, die unter Verletzung der Anordnungsvoraussetzungen und Genehmigungsvorschriften erstellt worden seien. Daher seien die Videobeweise absolut unverwertbar. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in seinem am Donnerstag publizierten Urteil gut. Eine Videoüberwachung, wie sie konkret durchgeführt wurde, müsse als Zwangsmassnahme qualifiziert werden. Der Einsatz technischer Überwachungsgeräte richte sich nach den Bestimmungen über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Diese wiederum bedürfe gemäss Artikel 272 Absatz 1 StPO einer Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht.

Eingriff in die Grundrechte

Konkret habe die Kantonspolizei Solothurn die Videoüberwachung ohne Zutun derStaatsanwaltschaft angeordnet. Auch sei sie vom Zwangsmassnahmengericht nichtbestätigt worden. Angesichts der unmissverständlichen gesetzlichen Regelungen,seien die dadurch erlangten Erkenntnisse unverwertbar und die entsprechendenAufnahmen zu vernichten. Auch der Umstand, dass die beiden Geschäftsführer alsHausherren in die Videoüberwachung eingewilligt hätten, vermöge daran nichts zuändern. Denn die beiden seien nicht befugt gewesen, an Stelle der von derÜberwachung betroffenen Mitarbeiter inklusive der Beschwerdeführerin «in dieÜberwachung einzuwilligen und so über deren Grundrecht auf Privatsphärebeziehungsweise die informationelle Selbstbestimmung zu verfügen».Nun muss sich die Vorinstanz noch einmal mit dem Fall befassen und entscheiden,ob die vorhandenen Beweismittel – ohne die unverwertbaren Videoaufnahmen –ausreichen, um die Mitarbeiterin und Beschwerdeführerin wegen Diebstahls zuverurteilen.